Öffentliche Würdigung
von Emmy Noether in Deutschland
Die öffentliche Wahrnehmung von Emmy Noether in Deutschland ist auch im außermathematischen Bereich in den letzten Jahren enorm gestiegen.
Das war nicht immer so: Noch während meines Mathematikstudiums in Göttingen 1970 bis 1975 habe ich ihren Namen kein einziges Mal gehört, obwohl in Göttingen damals noch einer ihrer Schüler, nämlich Max Deuring, lehrte und ich natürlich auch Bartel van der Waerden Lehrbuch "Algebra" (früher unter dem Titel "Moderne Algebra") benutzt habe, in dem vermerkt ist, dass es auf Vorlesungen von "E. Artin und E. Noether" aufbaut. Ich wusste damals einfach nicht, dass sich unter dem E. vor Noether nicht auch ein Emil oder ein Ernst verbarg, sondern eine Emmy.
Vor allem ihre Geburtsstadt Erlangen ist mit der Würdigung von Emmy Noether vorangegangen. Eine ausführliche Darstellung der dortigen Aktivitäten finden Sie hier.
Göttingen, die Stadt, in der Emmy Noether ihre größte wissenschaftliche Wirksamkeit entfaltete, hat sich lange eher schwer getan, Emmy Noether angemessen zu würdigen. Eine Überblick über die Wahrnehmung Emmy Noethers in Göttingen finden Sie hier.
Überregional ist vor allem das DFG-Förderprogramm für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Promotion hervorzuheben, das es seit 1998 gibt. Ebenfalls erwähnenswert:
1994: 1994 war Emmy Noether beim Bundeswettbewerb Mathematik Leitfigur und Rahmenthema.
Ausgehend von den USA (dort häufig schon in den 1970er Jahren), gab es seit den 1980er und dann verstärkt in den 1990er Jahren auch eine Aneignung von Emmy Noether (und anderen Naturwissenschaftlerinnen und Mathematikerinnen) durch die deutsche Frauenbewegung, wobei hier häufig die Frauenbeauftragten der Städte und Universitäten vorangingen:
1997: Ursula Brechtken-Manderscheid vom mathematischen Institut der Universität Würzburg hat 1997 eine Ausstellung über Emmy Noether konzipiert, die zu einem großen Teil auf dem 1990 erschienenen grundlegenden Aufsatz von Cordula Tollmien und dort erstmals publizierten Quellen beruht. Die Ausstellung wurde an verschiedene Universitäten ausgeliehen und u.a. in Braunschweig (2000), München (2000), Hildesheim (2001), Göttingen (2001) und Hannover (2005)gezeigt.
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Leben und Werk der Mathematikerin
Emmy Noether
1882 - 1935
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1987: 1987 kam die 1979 erstmals im San Francisco Museum of Modern Art gezeigte Ausstellung "The Dinner Party" der amerikanischen Künstlerin Judy Chicago (eigentlich Judith Cohen) nach Frankfurt. Dieses Werk, an dem hunderte Freiwillige beteiligt waren, ist jetzt permanent im Brooklyn Museum untergebracht. Es ist eine Hommage an die Geschichte der Frauen in Form eines dreieckigen Tisches, der mit symbolischen Tellern gedeckt ist, die 39 berühmte Ehrengäste repräsentieren. Diese 39 Frauen stehen wieder für eine Vielzahl anderer Frauen (insgesamt 999), für die kein eigenes Gedeck gestaltet wurde. Zu den als Nr. 33 von der englischen Ärztin Elizabeth Blackwell (1821-1910) repräsentierten Frauen gehört neben Sofja Kowalewskaja (der zweiten Frau mit einem Göttingen Bezug) auch Emmy Noether.
1992: Zu Emmy Noethers 110. Geburtstag, brachte die feministische Zeitschrift EMMA einen großaufgemachten Artikel von Martina Sturm-Wende über Emmy Noether. Überflüssigerweise dichtete man ihr darin an, zu den unvermeidlich in allen populären Artikeln über sie erwähnten Sackkleidern auch noch Männerhüte getragen zu haben. Es gibt zwar tatsächlich ein Foto von Emmy Noether (meines Wissens ist es das einzige), auf dem sie einen Hut trägt, aber dies ist eindeutig kein Männerhut und so sicher, wie Emmy Noether keinen oder wenig Wert auf ihre äußere Erscheinung legte, so sicher ist auch, dass sie mit ihrem Aussehen und ihrer Kleidung nicht bewusst den Erwartungen der Männerwelt entgegentreten wollte. Emmy Noether ging es, was ihre Kleidung angeht, in erster Linie um Bequemlichkeit und - da sie nur ein sehr geringe Lehrauftragsvergütung erhielt - durfte diese vor allem nicht teuer sein.
2002: In der von der feministischen Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch gestalteten Datenbank FemBIO (FrauenBiographieforschung) erschien zu ihrem 120. Geburtstag am 23. März 2002 als Frauen Biographie der Woche ein Artikel über Emmy Noether.
Entscheidend für die weitere Rezeption von Emmy Noether waren und sind aber natürlich vor allen die Arbeiten der Wissenschaftshistoriker, für die hier stellvertretend an erster Stelle David Rowe (Publikationen speziell zur Göttinger Mathematik) und Tilman Sauer genannt werden sollen. Besonders verdient gemacht um die Noetherrezeption hat sich aber auch Peter Roquette:
2005: Der Heidelberger Mathematiker Peter Roquette hat 2006 gemeinsam mit Franz Lemmermeyer den Briefwechsel zwischen Helmut Hasse und Emmy Noether im Göttinger Universitätsverlag veröffentlicht. Er entdeckte auch die verloren geglaubte Rede, die Hermann Weyl am Sarg Emmy Noethers am 17. April 1935 in Bryn Mawr gehalten hat. Peter Roquette hat auch den Nachruf van der Waerdens auf Emmy Noether aus dem Jahre 1935 ins Netz gestellt und schon 1997 die Erinnerungen van der Waerdens an "Meine Göttinger Lehrjahre" publiziert, in denen Emmy Noether eine prominente Rolle spielt. Diese im Laufe der Jahre umfassend erweiterten Quellenpublikationen und die vielen inzwischen von Roquette verfassten weiteren Veröffentlichungen über Emmy Noether und deren Umkreis haben natürlich die Rezeption von Emmy Noethers Leben und Werk ganz wesentlich befördert.
Diese Seite wurde 2006 konzipiert und ins Netz gestellt. 2019 wurden nur einige Links korrigiert und kurze Ergänzungen zu den bereits genannten Punkten eingefügt. Eine Fortsetzung dieser Seite, die auch die inzwischen erfolgten Würdigungen und Aktivitäten von und um Emmy Noether auflistet, war leider nicht mehr zu leisten.
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