Dr. Cordula Tollmien Historikerin Julia Lermontowa
Cordula Tollmien

Julia Lermontowa (1847-1919) - die erste Doktorin der Chemie (an einer deutschen Universität)

Vortrag gehalten auf Einladung des Frauenbüros der TU Braunschweig am 12. November 2001


Julia Lermontowa - die erste Doktorin der Chemie, und ihre Freundin Sofja Kowalewskaja, die erste Frau, die in Mathematik promoviert wurde - man kann über die eine nicht reden ohne auch von der anderen zu sprechen. Beide stammten aus Russland, sie studierten gemeinsam, promovierten beide im Abstand von nur wenigen Wochen in Göttingen und blieben ihr Leben lang miteinander verbunden. Dennoch ist in aller Regel nur von einer von beiden die Rede: nämlich von Sofja Kowalewskaja, einer schon zu Lebzeiten weltbekannten Mathematikerin, die 1884 als erste Frau im modernen Europa einen Lehrstuhl an einer Universität (der Universität von Stockholm) erhielt. Julia Lermontowa, deren Karriere nicht ganz so glanzvoll, aber doch bemerkenswert genug verlief, ist dagegen heute so gut wie vergessen und fand auch schon zu Lebzeiten nur geringe Aufmerksamkeit bei den Zeitgenossen. Das lag nicht nur daran, dass sie zeitlebens im Schatten ihrer berühmten Freundin stand , sondern auch daran, dass das akademische Establishment ihrer Zeit - anders als bei Sofja Kowalewskaja - in ihrem Fall keinerlei Interesse daran zeigte, "etwas so unerhörtes wie die Promotion einer Dame"[1] publik zu machen. So kam es, dass ihre Promotion über ein Jahrhundert lang in den Akten der Universität Göttingen verborgen blieb.[2] Um so mehr freue ich mich, Ihnen diese Frau heute ein wenig näher bringen zu können, und ich bin dabei fast sicher, dass dies der erste Vortrag ist, der jemals gehalten wurde, der im Titel nur den Namen Julia Lermontowas trägt. Dennoch wird auch in diesem Vortrag viel von Sofja Kowalewskaja die Rede sein, nicht weil ich Julia Lermontowa die ungeteilte Aufmerksamkeit nicht gönne, sondern weil Julia Lermontowa ohne Sofja Kowalewskaja nicht denkbar ist und umgekehrt.

Julia Wsewolodowna Lermontowa wurde am 2. Januar 1847 (nach dem russischen Kalender am 21. Dezember 1846) in Petersburg geboren. Wie die fast auf den Tag genau drei Jahre jüngere Sofja Kowalewskaja auch war sie die Tochter eines zaristischen Generals. Ihr Vater war Direktor der Moskauer Kadettenschule und besaß außerdem ein Gut südlich von Moskau, auf dem Julia aufwuchs. Nach dem frühen Tod Sofja Kowalewskajas hat Julia Lermontowa ihre Erinnerungen an ihre Freundin aufgeschrieben und diese mit einer kurzen Autobiographie eingeleitet. Darin schrieb sie über ihre Eltern:

Meine Eltern waren sehr gebildete Menschen und haben viel gelesen. Sie besaßen beide große Bibliotheken und taten viel für die Ausbildung und Erziehung ihrer Kinder. Bei uns gab es immer eine ausländische Erzieherin und die allerbesten Lehrer kamen aus der Stadt zu uns, um uns Unterricht zu geben. Speziell für diese Fahrten gab es bei uns Pferde und eine Droschke, weil Lefortowo [so der Name des Gutes - C.T.] sehr weit vom Zentrum Moskaus entfernt lag.

Wir wuchsen ziemlich einsam auf; Altersgenossen trafen wir selten. Ich war in keiner Schule und in keinem Institut, aber ich habe sehr gern gelernt. Ich habe mich sehr früh für verschiedene Naturwissenschaften, besonders aber für die Chemie interessiert. Ich habe mir selbst Chemiebücher besorgt, die Geräte zusammengesucht und verschiedene einfache Experimente durchgeführt.[3]

Fast identisch klingt, was sich über die Erziehung und Jugend Sofja Kowalewskajas sagen lässt: Sie wurde am 15. Januar 1850 in Moskau geboren und wuchs auf dem Landgut der Familie in Palibino im Gouvernement Witebsk auf, wo sie ebenfalls von Privatlehrern und ausländischen Gouvernanten unterrichtet wurde. Früh schon zeigte sich ihre mathematische Begabung und sie studierte - wie Julia - aus eigenem Antrieb mathematische Bücher und entwickelte, als man ihr weiteren mathematischen Unterricht aus Sorge um ihr intensives Interesse, das man für ungesund hielt, verweigerte, eigenständig mathematische Definitionen und Erklärungen selbst in einem so vergleichsweise komplizierten Gebiet wie der Trigonometrie.[4]

Sofja verbrachte die prägenden Jahre ihrer Kindheit vor allem unter dem Einfluss ihrer sieben Jahre älteren und von ihr sehr bewunderten Schwester Anna (Anjuta) auf, die sich schon früh der sog. nihilistischen Bewegung angeschlossen hatte. Diese Bewegung, die in den 1860er Jahren große Teile der adligen russischen Jugendlichen erfasst hatte, wandte sich gegen die konservativen Moralvorstellungen der Vätergeneration und die verkrusteten politischen Strukturen des Zarenreiches und hatte sich insbesondere der Aufklärung und Ausbildung der Landbevölkerung und dem Kampf für die Befreiung der Frauen verschrieben. Die Anhänger dieser Bewegung, die nichts weniger als nihilistisch, sondern durch und durch idealistisch waren,[5] glaubten an die Gleichheit von Mann und Frau und an die befreiende Wirkung von Erziehung und Wissenschaft, nicht nur für das Individuum, sondern für das ganze Volk, die gesamte Nation. Viele junge, häufig im westlichen Ausland ausgebildete Wissenschaftler gehörten zu den Nihilisten. Gemeinsam mit ihren ebenfalls nihilistischen Studenten setzten sie sich nicht nur theoretisch und programmatisch, sondern auch praktisch für das Recht der Frauen auf Bildung ein. In einer kurzen Phase der Liberalisierung Anfang der 1860er Jahre waren Frauen an der Petersburger Universität und an der dortigen Medizinischen Akademie zumindest halboffiziell als Zuhörerinnen geduldet worden. Doch nach einer Welle von Studentendemonstrationen, die sich ursprünglich gegen die Ungerechtigkeiten der Bauernbefreiungsdekrete gerichtet, dann aber auch inneruniversitäre Reformen gefordert hatten, wurden die Frauen 1863/64 wieder ganz von den Universitäten ausgeschlossen. Daraufhin richteten fortschrittliche Professoren eine Reihe von Kursen außerhalb der Universität ein, in denen sie die Frauen weiter unterrichteten. Die Kurse konzentrierten sich auf technische und naturkundliche Themen. Doch kam sehr bald das Gerücht auf, dass dort unmoralische und materialistische Propaganda betrieben werde, so dass die meisten dieser Kurse schon 1865 wieder eingestellt werden mussten. Nun blieb den Frauen nur noch Privatunterricht oder aber, wenn sie offiziell Examen machen wollten, ein Studium im Ausland. Dem stand allerdings entgegen, dass Frauen damals nicht eigenständig das Land verlassen konnten, da sie keinen eigenen Pass besaßen, sondern im Pass des Vaters oder Ehemannes eingetragen waren. Da in keinem Fall zu erwarten war, dass die russischen Väter ihren Töchtern erlauben würden, im Ausland zu studieren, hatten die Frauen nur eine Möglichkeit: Sie mussten heiraten. So entstand das Institut der „fiktiven Ehe“: Unter einigen Anhängern der nihilistischen Bewegung galt es „Ehrensache“ auch unter Preisgabe ihrer eigenen Vorstellungen von persönlichem Glück oder sogar unter Hintansetzung der eigenen Karriere zur „Befreiung der russischen Töchter“ beizutragen, und sie waren daher bereit, Frauen zu heiraten, die sie kaum oder gar nicht kannten, um diese anschließend an einen Studienort ihrer Wahl im Ausland zu begleiten. Das Paar trennte sich dann entweder wieder oder lebte (in Einzelfällen) wie Bruder und Schwester zusammen.[6]

Eine solche Scheinehe ging auch Sofja ein und heiratete - noch keine 18 Jahre alt - am 27. September 1868 den späteren Paläontologen Wladimir Onufrijewitsch Kowalewski.[7] Ursprünglich waren die Schwestern eigentlich auf der Suche nach einem Heiratskandidaten für Anjuta gewesen, doch unter den Nihilisten hatte sich herumgesprochen, dass Sofja, die seit Anfang 1869 Mathematikunterricht in Petersburg bei einem den Nihilisten nahestehenden jungen Professor erhielt, aufgrund ihrer außergewöhnlichen Begabung der Befreiung besonders würdig sei, und so war eines Tages Wladimir Kowalewski aufgetaucht und hatte erklärt, dass er Sofja und nur sie heiraten wolle.[8]

In diese Zeit der Suche nach einem geeigneten Heiratskandidaten fiel auch der erste Kontakt zwischen Julia und Sofja und zwar vermittelt über Anjutas beste Freundin Anna Michailowna Jewreinowa. Auch Anna Michailowna, die bei ihren Eltern in Petersburg und damit mitten im Herzen der nihilistischen Bewegung lebte, wollte unbedingt im Ausland studieren. Sie erfuhr zufällig, das ihre ihr bis dahin gänzlich unbekannte Moskauer Cousine Julia Lermontowa erfolglos einen Antrag auf Zulassung zum Studium an der Petersburger Akademie für Landwirtschaft gestellt hatte und nun ebenfalls entschlossen war, zum Studium ins Ausland zu gehen, und schrieb ihr daraufhin einen anteilnehmenden und unterstützenden Brief: "Durch diese Frau", notierte Julia Lermontowa später in ihrer Erinnerungen, "habe ich Sofja Wassiljewna Kowalewskaja kennen gelernt. Wir schrieben uns zunächst Briefe, ehe wir uns persönlich trafen."[9] Letzteres geschah dann wohl Ende des Jahres 1868, nachdem es Julia gelungen war, ihren Vater zu überreden, mit ihr nach Petersburg zu fahren. Nach ihrer Abreise im Januar 1869 schrieb Sofja Julia den folgenden Brief:

Die ganze Zeit habe ich gehofft, ein paar Zeilen von Ihnen zu bekommen, liebe Julia Wsewolodowna. Aber es scheint, dass sie mich vergessen haben und deshalb möchte ich Sie an mich erinnern, weil die kurze Bekanntschaft mit Ihnen auf mich einen sehr starken und angenehmen Eindruck gemacht hat. Ich möchte diese Bekanntschaft gern verlängern und intensivieren.

Wir haben viele Gemeinsamkeiten in unseren Neigungen, Interessen und im Alter - alles das lässt mich glauben, dass zwischen uns eine starke und feste Freundschaft entstehen kann, und ich hoffe, dass wir uns in Petersburg nicht zum letzten Mal gesehen haben. [...] Mittlerweile flüchten die meisten gut ausgebildeten Frauen ins Ausland.[...]. Ich selbst warte mit Ungeduld auf den Augenblick, an dem auch ich ins Ausland fahren werde. Und wie gern möchte ich mit Ihnen, Julia, zusammen dort lernen. Ich stelle mir das glückliche Leben in einem stillen vergessenen Ort irgendwo in Deutschland oder der Schweiz zwischen den Vorlesungen und Büchern vor. Ich glaube ein solches Leben würde auch für Sie höchstes Glück bedeuten.[10]

Dieser bisher wenig beachtete Brief zeigt wie stark und intensiv die Beziehung zwischen Julia und Sofja von Anfang an war. Sofja scheute denn auch keine Mühen, um ihre Pläne von einem gemeinsamen Studium mit Julia zu verwirklichen. Sie fuhr sogar nach Moskau, um Julias Eltern, die sich einem Auslandsaufenthalt ihrer Tochter zunächst widersetzt hatten, die Erlaubnis abzuringen, dass Julia sie und Wladimir auf ihrer Reise nach Westeuropa begleiten dürfte. Dies gelang ihr auch. Zwar brachen die Kowalewskis im April 1869 zunächst ohne Julia nach Heidelberg auf, aber sie hatten die feste Zusage, dass ihnen Julia im Herbst desgleichen Jahres würde folgen dürfen.[11]

Bei Anna Jewreinowa, die Rechtsanwältin werden wollte, scheiterte auch dies. Denn Annas Eltern zeigten keinerlei Verständnis für ihre Bildungsabsichten. Ihr Vater, wie Sofjas und Julias Vater General in der zaristischen Armee, hatte verkündet, er wolle sie lieber tot sehen als an einer Universität, und versuchte sogar, sie gegen ihren Willen zu verheiraten. Um ihren Traum von einem Jurastudium dennoch zu verwirklichen, floh sie 1870 zu Fuß über die polnische (damals genau genommen die russisch-preußische) Grenze. 1873 - ihre Eltern hatten sich inzwischen mit ihr versöhnt - promovierte sie in Leipzig (die erste Frau der Welt mit einem Dr. jur.) und wurde später tatsächlich die erste Rechtsanwältin Russlands.[12]

Als Sofja im April 1869 in Heidelberg eintraf, musste sie feststellen, dass die westeuropäischen Universitäten dem Frauenstudium kaum aufgeschlossener gegenüberstanden als die Universitäten in Russland und es gelang ihr nur unter großen Schwierigkeiten, die Professoren der Mathematik und Physik (unter ihnen Hermann Helmholtz und Gustav Kirchhoff) zu überreden, sie als erste Frau überhaupt zu den Vorlesungen an der Heidelberger Universität zuzulassen.[13]

Eines ist nur bitter, schrieb Sofja Kowalewskaja an Julia Lermontowa, nämlich, dass mir die Erlaubnis [zum Besuch der Vorlesungen] als eine Ausnahme erteilt wurde, so dass ich im Herbst, wenn Sie hierher kommen, die ganze Geschichte wieder von vorn beginnen muss. Natürlich wird es beim zweiten Mal leichter sein.

Ich kann mir vorstellen, mit welcher Ungeduld sie auf den Herbst waren, liebe Julenjka . Wir wollen hoffen, dass ihre Eltern es sich nicht anders überlegen werden.

[...]

Ich warte auch mit Ungeduld auf den Herbst. Wir toll wird es für uns beide hier werden. Sie werden hier sehr gut studieren können: Physiologie werden sie bei Helmholtz und Chemie bei Bunsen hören. Bei letzterem wird es Ihnen besonders gut gehen. Mir wurde gesagt, er kümmert sich den ganzen Tag um die Studenten, die in seinem Labor arbeiten und nur abends beschäftigt er sich mit seinen eigenen Untersuchungen“[14]

In der Tat, als Julia Lermontowa zum WS 1869/70 in Heidelberg eintraf, gelang es ihr mit der Unterstützung von Sofja tatsächlich den als notorischen Frauenhasser bekannten Robert Bunsen zu überreden, sie in seinem Labor arbeiten zu lassen. Dies allerdings erst nach einem Semester, nachdem sie die Grundlagen ihres Faches zunächst in einem privaten Labor gelernt hatte:

Erst im zweiten Semester habe ich die Erlaubnis bekommen, in Bunsens Labor zu arbeiten. Dort machte ich praktische Übungen: qualitative Reaktionen nach der Methode von Bunsen, quantitative Analysen verschiedener Erze und die Trennung seltener Platinverbindungen, ebenfalls nach der Methode von Bunsen,

schrieb Julia Lermontowa später in ihrer Autobiographie.[15]

Dass sie zunächst weiter bei Bunsen arbeiten wollte, ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Julia Lermontowa Sofja nicht sofort begleitete, als diese sich auf Anraten ihrer Heidelberger Lehrer entschloss, zum WS 1870/71 nach Berlin zu gehen, um dort bei dem bedeutendsten der damals lebenden deutschen Mathematiker, bei Karl Weierstraß, zu studieren. Julia folgte ihr erst zwei Semester später, im WS 1871/72, und war genau zu dem Zeitpunkt wieder an Sofjas Seite, als diese sich nach mehrmonatiger Abwesenheit von Berlin - sie war im März 1871 aus Sorge um ihre Schwester Anjuta nach Paris gefahren und dort in die Wirren der Pariser Commune geraten[16] - endlich wieder intensiv ihren Studien widmen wollte, und als Wladimir, der Sofja zunächst nach Berlin und dann auch nach Paris begleitet hatte, nach Jena ging, um seine eigene Dissertation zum Abschluss zu bringen.[17]

Obwohl sich Weierstraß, der nach einer kurzen Prüfung von Sofjas mathematischen Talent überzeugt war, vehement für sie einsetzte, gelang es im preußischen Berlin nicht, für Sofja eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch der Vorlesungen zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Preußen als einer der letzten deutschen Staaten erst 1908 Frauen das Recht zugestand, sich als reguläre Studentinnen zu immatrikulieren (nur Elsaß-Lothringen und Mecklenburg genehmigten das Frauenstudium noch später), während das liberalere Baden, zu dem die Universität Heidelberg gehörte, Frauen immerhin schon 1900 als Studentinnen zuließ.[18] Weierstraß hatte sich daher erboten, Sofja Privatunterricht zu geben. Abgesehen von einigen Unterbrechungen aufgrund ihrer Reisen ging sie nun vier Jahre jeden Sonntag zu Weierstraß, und er kam meistens am Freitag zu ihr in die Wohnung und wiederholte für sie seine Vorlesungen und ließ sie an seinen Forschungen teilnehmen.[19]

Nach Sofja Kowalewskajas Erfahrungen wird Julia Lermontowa wohl gar nicht erst versucht haben, in Berlin zu den Vorlesungen zugelassen zu werden. Doch es gelang ihr, den berühmten Chemiker August Wilhelm Hofmann für sich zu gewinnen. Hofmann, ein Schüler Justus Liebigs, hatte über zwanzig Jahre am College of Chemistry in London gelehrt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland (Liebig hatte ihm übrigens vehement davon abgeraten, sich in die „Misere von deutschen Universitätsverhältnissen“ zurückzubegeben[20]) wurde er nach kurzer Lehrtätigkeit in Bonn 1865 an die Universität Berlin berufen. Hofmann, dessen Arbeiten u.a. den Anstoss zur Begründung der Teerfarbenindustrie gaben und der 1868 einer der Mitbegründer der Deutschen Chemischen Gesellschaft war, hatte - wahrscheinlich durch seinen langen Auslandsaufenthalt - einen freieren Blick auf die „zopfigen Statuten“ der Berliner Universität als viele seiner Kollegen. Er ließ Julia Lermontowa in seinem Privatlaboratorium arbeiten.[21]

Voller Energie stürzten sich Julia und Sofja in die Arbeit und es gelang beiden, bis 1874 eigenständige wissenschaftliche Arbeiten fertigzustellen, so dass an eine Promotion zu denken war. Weierstraß entschied sich für einen Vorstoß an der Universität Göttingen, wo er alle maßgeblichen Mathematiker kannte. Mit hohem persönlichem Einsatz und großem diplomatischen Geschick erreichte er, dass die Philosophische Fakultät der Universität Göttingen sich nach langen kontroversen Diskussionen dazu entschloss, Sofja Kowalewskaja zu promovieren und zwar wegen ihrer herausragenden Leistungen (sie hatte statt einer vorsichtshalber drei Dissertationen eingereicht, die alle summa cum laude bewertet worden waren) "in absentia", soll heißen ohne mündliche Prüfung. Dies war eine bei Ausländern an der Göttinger Universität relativ häufig geübte Praxis, so diese entsprechende Leistungen vorweisen konnten. Man wollte ihnen auf diese Weise die Probleme ersparen, die aufgrund mangelnder Sprachbeherrschung in einer mündlichen Prüfung auftreten konnten.[22]

Sofja Kowalewskaja hatte ihren Antrag auf Promotion am 19. Juli 1874 gestellt. Nur eine Woche später, am 25. Juli 1874 stellte auch Julia einen entsprechenden Antrag. Allerdings hatte sie keinen so gewichtigen und vor allem diplomatisch geschickten Fürsprecher wie Weierstraß und stieß daher auf erhebliche größere Probleme als Sofja. Sie hatte ihren Antrag zunächst ohne die Bitte um Promotion in absentia formuliert, stellte diesen dann aber noch nachträglich in einem zweiten Schreiben vom 28. Juli. Sie begründete diesen Antrag aber lediglich damit, dass sie in Berlin mit Arbeiten für Hofmann beschäftigt sei, die noch vor Ende des Semesters fertiggestellt werden müssten, so dass es ihr zur Zeit unmöglich sei, Berlin zu verlassen. Dies aber war, wie der Dekan am 9. August 1874 feststellte, natürlich kein „zulänglicher Grund zur promotio in absentia“.[23] Hofmann, der sich wegen der Promotion von Julia schon am 9. Juli an seinen Göttinger Kollegen Friedrich Wöhler gewandt hatte,[24] hatte nicht nur versäumt, explizit Julias mangelnde Deutschkenntnisse herauszustellen, die, wie gesagt, als Grund für eine Promotion in absentia durchaus akzeptiert wurden, als auch - wichtiger - Julia Lermontowas wissenschaftliche Leistungen gebührend hervorzuheben. So wies er unverständlicherweise nicht darauf hin, dass er selbst am 25. März 1872 der Deutschen Chemischen Gesellschaft eine Abhandlung Julia Lermontowas vorgelegt hatte, in der sie nachwies, dass die beiden berühmten französischen Chemiker Charles Gerhardt und Auguste Laurent bei der Darstellung eines durch Zusatz von Ammoniak und Dinitrierung gewonnenen Folgeprodukts des Farbstoffes Azobenzol, des sog. Diphenins, ein Fehler unterlaufen war: Das Diphenin enthielt zwei Wasserstoffatome mehr, als Gerhardt und Laurent angenommen hatten.[25] Damit hatte Julia Lermontowa noch vor ihrer Promotion bereits eine erste Veröffentlichung vorzuweisen, was relativ ungewöhnlich war (und bis heute ist) und mit der entsprechenden Gewichtung ihrem Gesuch auf Promotion in absentia sicherlich hätte förderlich sein können. So aber erwähnte nur Julia Lermontowa selbst diese Veröffentlichung in ihrem Lebenslauf und ihrem Antrag auf Befreiung von der mündlichen Prüfung. Doch der Dekan gab die Information über diese Veröffentlichung nicht an die Mitglieder des Fakultätsausschusses weiter, so dass sie im weiteren Verfahren unberücksichtigt blieb.[26]

Hinzu kam, dass der schon 74jährige Wöhler der falsche Ansprechpartner war, da er die anstehenden Prüfungen immer mehr seinem Nachfolger, dem gerade am 7. Mai des gleichen Jahres zum ordentlichen Professor ernannten Hans Hübner überließ.[27] Zwar übernahm Hübner die Begutachtung der von Julia eingereichte Arbeit mit dem Titel „Zur Kenntniß der Methylenverbindungen“ und befürwortete als einziger im zuständigen Fakultätsausschuss sogar Julias Antrag auf Promotion in absentia - letzteres allerdings ohne Angabe von Gründen und nach einem Gutachten, das nicht mehr als eine halbe Seite einnahm und Julia Lermontowa lediglich Fleiß, Einsicht und Belesenheit attestierte.[28] Ob dieses Urteil gerecht war, lässt sich schwer beurteilen, wenn man nicht andere Dissertationen zu ähnlichen Themen und deren Beurteilung durch Hübner zum Vergleich heranzieht.[29] Sicher aber hatte Julia Lermontowa nicht nur unter der Tatsache zu leiden, dass Hübner sich, wie er Weierstraß gegenüber implizit zugab, von Hofmann und Wöhler übergangen fühlte,[30] sondern auch darunter, dass sie im Schatten von Sofja Kowalewskaja stand, dass sie nach der einhelligen Begeisterung, die deren Arbeiten ausgelöst hatte, als zweite ihren Antrag stellte.

Dies merkt man insbesondere der Stellungnahme des Dekans, des Philosophen Hermann Lotze an,[31] den Julia Lermontowas Antrag nach eigenen Worten in große Ratlosigkeit stürzte. Er machte deutlich, dass er eine grundsätzliche Entscheidung für die „Zulassung von Damen“ zur Promotion für ganz „inopportun“ halte. Er wollte die Promotionen von Frauen auf die Fälle beschränkt wissen, „in denen die Vortrefflichkeit der Leistungen den Erlass der Prüfung möglich macht und zugleich eine der statutarischen Bedingungen, die Eigenschaft der Ausländerin oder öffentliche Anstellung, ihn formell rechtfertigt.“ Denn Lotze erkannte richtig, dass nicht, wie bei der Promotion von Sofja Kowalewskaja befürchtet, die Befreiung von der mündlichen Prüfung „ein sehr gefährliches Präcedenz“ bedeutete, sondern das „strenge Festhalten an den Statuten“. Denn für eine Promotion in absentia war immer eine nur ausnahmsweise zu erteilende, besondere Genehmigung nötig. Wenn auf diese Weise eine Frau promoviert wurde, konnte man dies daher auch immer als eine einmalige durch besondere Umstände bedingte Ausnahme hinstellen, so wie Lotze es in seiner Stellungnahme zu Sofja Kowalewskajas Antrag ja auch getan hatte. Ein reguläres Verfahren dagegen stellte die Frauen tatsächlich den Männern gleich, machte es schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, künftige Antragstellerinnen, die sich auf diesen Präzedenzfall beriefen, abzulehnen.

Ich würde wünschen“, schrieb Lotze deshalb, „daß eine mündliche Prüfung von Damen prinzipmäßig niemals zugestanden würde, weil ich von dieser Ausdehnung des gewöhnlichen Geschäftsganges auf Fälle, die doch am beßten sehr seltene Ausnahmen bleiben, einen Andrang von Bewerberinnen befürchte, deren Annahme, nach diesem gewöhnlichen Maßstabe nicht zu verweigern, der Facultät nur Verlegenheiten und üblen Ruf verursachen könnte.[32]

Lotze setzte sich jedoch nicht durch. Der Fakultätsausschuss beschloss, dass wenn schon „Damen“ zur Promotion zugelassen würden, sie dann auch allen entsprechenden Anforderungen nachkommen müssten, Julia Lermontowa also mündlich geprüft werden müsse.[33] Zwar versuchten sowohl Weierstraß als auch Sofja Kowalewskaja durch Briefe an die Göttinger Fakultät diesen Beschluss rückgängig zu machen, doch vergeblich.[34]

Die Prüfung wurde auf den 24. Oktober 1874 festgelegt. Julia Lermontowa, die inzwischen mit den Kowalewskis schon nach Russland zurückgekehrt war, musste dafür extra noch einmal nach Göttingen reisen.[35] Sie beschreibt die Prüfung und ihre damaligen Gefühle in ihrer Autobiographie:

Die Fahrt war sehr schwer: [...] Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich eine solche Prüfung ablegen und davor hatte ich Angst. [...]

Vor der Prüfung habe ich in Göttingen drei schreckliche Wochen überlebt. Ich und die Professoren haben sich auf die Prüfung vorbereitet. Endlich kam der schreckliche Tag: Ich wurde von mir völlig unbekannten Professoren geprüft: anorganische Chemie - Professor Wöhler, damals schon ein alter Mann; organische Chemie - Professor Hübner; Physik - Professor Listing[36] und von einem Mineralogen, an den ich mich nicht erinnere.

Die Atmosphäre der Prüfung hat mich überrascht: Sie fand abends statt, auf dem Tisch standen Tee, Kuchen und Wein. Ich wurde allein geprüft, die Prüfung dauerte zwei Stunden. In der Hauptprüfung - Chemie - wurde ich sehr lang und streng geprüft. Die Prüfung wurde als "colloquium" durchgeführt. Besonders streng war Professor Hübner zu mir. Er hat mich nach verschiedenen Gebieten der organischen Chemie gefragt. Er selbst war nach dieser Prüfung ganz müde. Der alte Wöhler machte es mir leichter. Die Prüfung in den Nebenfächern war kürzer und leichter.

Nach der Prüfung haben alle getrunken und gegessen und haben mir erklärt, dass ich die Note 1 in der Prüfung bekommen habe, was bei ihnen "magna cum laude" heißt.

Professor Wöhler hat mir sofort einen Stein aus Titanit zum Geschenk gemacht, da er als erster das Element Titan entdeckt hat. Wie ich aus der Prüfung herausgekommen bin, daran kann ich mich nicht erinnern. Noch zwei bis drei Wochen danach, konnte ich nichts essen.[37]

Weierstraß berichtete Sofja Kowalewskaja später, dass er von seinen Göttinger Kollegen erfahren hatte, dass Julia Lermontowa nach Überwindung der ersten Befangenheit so "tapfer standgehalten" habe, dass sie auch ihre prinzipieller Gegner in der Fakultät völlig bekehrt habe. Der Historiker Reinhold Pauli[38] beispielsweise, der noch vor der Prüfung verkündet habe, er werde auf jeden Fall gegen Julia stimmen, sei nach der Prüfung durch Hübner so beeindruckt gewesen, dass er erklärt habe, "einer Dame gegenüber, die so gründliche Studien in ihrem Fache gemacht, heiße er seine Bedenken schweigen und halte sie der akademischen Ehre für völlig würdig."

Hübner hat sich aber", so Weierstraß weiter, vier Wochen lang in keiner Gesellschaft sehen lassen können, ohne von den anwesenden Damen Vorwürfe darüber zu hören, daß er sich J. gegenüber so ungerechtfertigt strenge gezeigt habe. Juliens tapferer Entschluß hat also nicht nur für sie selbst gute Folgen gehabt, sondern hat auch in Göttingen wenigstens das Vorurtheil, als ob Frauen ernster wissenschaftlicher Beschäftigung fernbleiben müßten, mehr und mehr zu beseitigen beigetragen.[39]

Weierstraß überschätzte die positiven Folgen von Julia Lermontowas Prüfung. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis mit der Engländerin Grace Emily Chisholm-Young in Deutschland erstmals wieder eine Frau promoviert wurde (in Mathematik), und erst im Jahre 1900 erwarb Clara Immerwahr, die spätere Frau von Fritz Haber, die in Breslau promovierte, als zweite Frau in Deutschland einen Doktor in Chemie. Julia Lermontowa selbst blieb so verborgen in den Akten der Göttinger Universität, dass ihre Promotion bis heute so gut wie vergessen ist.[40] Das von dem Dekan Lotze befürchtete Präzedens trat also nicht ein.

Nach ihrer Promotion blieb Julia Lermontowa noch einige Wochen in Deutschland (und besuchte u. a. Weierstraß in Berlin) und reiste dann nach Petersburg, wo sich Sofja und Wladimir inzwischen eine Wohnung genommen hatten.

"Das Studium war zu Ende, das Leben begann", schrieb Julia später in ihren Erinnerungen. Bei den Kowalewskis lernte sie den als Erfinder des Periodensystems berühmt gewordenen russischen Chemiker Dimitrij Mendelejew kennen, der sie in den Kreis seiner Kollegen einführte.[41] Doch obwohl sie der zu seiner Zeit nicht weniger berühmte Alexander Butlerow[42] einlud, in seinem Labor zu arbeiten, kehrte sie zunächst zu ihren Eltern nach Moskau zurück und fand dort eine Anstellung bei dem Moskauer Chemiker Wladimir Markownikow.[43] In seinem Labor machte sie eine von ihr selbst später als unwichtig bezeichnete Arbeit über die Bildung von Bromid aus Trimethylenbromid, die in der Zeitschrift der Russischen Chemischen Gesellschaft veröffentlicht wurde und von der Markownikow auf der großen Versammlung der Russischen Naturforscher und Ärzte im September 1876 berichtete.[44] Wahrscheinlich schon 1875, spätestens aber 1876 wurde Julia Lermontowa das erste weibliche Mitglied der Russischen Chemischen Gesellschaft. Ihre Arbeit bei Markownikow musste sie allerdings schon nach wenigen Monaten abbrechen, weil sie an Typhus erkrankte. Nach ihrer Genesung zog sie Ende 1876 oder Anfang 1877 nach Petersburg zu den Kowalewskis und nahm nun die Einladung Butlerows bei ihm in seinem privaten Labor zu arbeiten an.[45] Die Arbeit bei Butlerow machte ihr sehr viel Spaß:

Er sah nicht besonders sympathisch aus", schrieb sie über ihn in ihren Erinnerungen, "aber sein Auftreten war immer zurückhaltend und sehr angenehm und er war immer bereit, einem zu helfen. [...] Er war ein sehr gebildeter Mann, wusste viel über westliche Kultur und hatte Manieren wie ein echter Gentleman. Er hatte einen ausgezeichneten, klaren und logischen Verstand. Ausnahmsweise erlaubte er mir, seine Vorlesungen in organischer Chemie zu besuche. Zu meiner Überraschung sprach er so langsam und deutlich, dass man gleich alles mitschreiben konnte, was er sagte. In seinem Laboratorium hatte er keinen privaten persönlichen Assistenten, alle Versuche machte er selbst, im Gegensatz zu Hofman. Er hat den jungen Studenten beim selbständigen chemischen Arbeiten geholfen, ihm aber half keiner.[46]

Aus diesen Worten sprechen nicht nur Sympathie und Bewunderung für einen großen Wissenschaftler, sondern vor allem auch echte Dankbarkeit, denn Butlerow war der Mann, der Julia Lermontowa in Russland am meisten und wirklich vorbehaltlos unterstützte. Sie arbeitete zwei Jahre bei ihm, insbesondere über die Synthese der Olefine, brach diese Arbeiten aber ab, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich Professor Jetelkow in Charkow mit demselben Thema beschäftigte.[47]

So war es denn auch Butlerow, der sich dafür einsetzte, dass Julia Lermontowa eine Dozentenstelle an der im September 1878 neu gegründeten Petersburger Schule für Höhere Frauenbildung erhielt. Doch obwohl sowohl Sofja Kowalewskaja als auch Julia Lermontowa aktiv an der Gründung dieser Schule beteiligt gewesen war, wurden Frauen als Dozentinnen an dieser Schule nicht zugelassen. Ein Angebot dort als Laborantin zu arbeiten, schlug Julia Lermontowa aus.[48] Sie folgte statt dessen Sofja Kowalewskaja nach Moskau, die Petersburg nach fehlgeschlagenen Grundstücksspekulationen Anfang 1880 Hals über Kopf hatte verlassen müssen. Sofja Kowalewskaja hatte nach ihrer Promotion in Göttingen in Russland nicht mehr wissenschaftlich gearbeitet, sondern zusammen mit dem von der Idee des schnellen Reichtums wie besessenen Wladimir versucht, möglichst viel und möglichst schnell Geld zu verdienen. Die Ehe zwischen Sofja und Wladimir war seit ihrer Rückkehr nach Russland keine fiktive mehr und am 17. Oktober 1878 brachte Sofja Kowalewskaja ein Mädchen zur Welt, das wie sie selbst Sofja getauft, aber Fufa gerufen wurde. Julia war wie eine zweite Mutter für das Kind und dies spielte sicher keine unerhebliche Rolle bei ihrem Entschluss, gegen den vehementen Protest Butlerows Sofja nach Moskau zu folgen.[49]

In Moskau arbeitete Julia Lermontowa wieder im Labor bei Markownikow, hatte aber nur wenig Freude an dieser Arbeit und entwickelte deshalb 1881 den Plan, selbst ein Chemielaboratorium für Frauen einzurichten. Doch diese Idee zerschlug sich schon im Vorfeld. Enttäuscht gab sie ein Jahr später deshalb die Chemie ganz auf, ließ sich auf dem Gut ihrer inzwischen verstorbenen Eltern nieder und widmete sich von da an der Landwirtschaft. Sie spezialisierte sich auf die Herstellung von Käse und diese Tätigkeit füllte sie ganz aus.[50]

Diese Tätigkeit war sie auch nicht bereit aufzugeben, als Sofja Julia 1885 bat, zu ihr nach Schweden zu kommen. Sofja hatte, nachdem sie Wladimir 1881 verlassen hatte, ihre wissenschaftliche Tätigkeit wieder aufgenommen und hatte durch die Vermittlung von Weierstraß und des schwedischen Mathematikers Gösta Mittag-Leffler seit Ende 1883 zunächst eine Stelle als Privatdozentin und seit Juni 1884 einen Fünfjahresvertrag als Professorin für höhere Analysis an der Universität von Stockholm.[51] Sofjas Tochter Fufa hatte seit dem Selbstmord von Wladimir im April 1883 bei Julia auf deren Moskauer Gut gelebt und Sofja wollte nun ihre Tochter zu sich nach Stockholm holen und hoffte, dass auch Julia mitkommen werde. Doch Julia widerstand allen Überredungsversuchen von Sofja. Sie hatte für Sofja gesorgt, seit die beiden nach gemeinsam nach Heidelberg gegangen waren. Vor allem während ihrer Berliner Zeit, in der Sofja oft wochenlang arbeitete, ohne die Wohnung außer für ihren Unterricht bei Weierstraß zu verlassen, hatte Julia mehr und mehr alle Aufgaben des täglichen Lebens für Sofja übernommen und dafür gesorgt, dass diese genug zu essen und etwas anzuziehen hatte und auch ab und zu an die frische Luft kam. Diese Sorge hatte sich fortgesetzt, als Sofja und Julia seit 1877 zunächst in Petersburg und dann in Moskau wieder zusammenwohnten und Julia hatte Sofja selbstverständlich auch unterstützt, als dies im März 1881 beschloss, Russland zu verlassen und nach Berlin und später nach Paris zu gehen, um wieder Anschluss an die wissenschaftliche Welt zu bekommen. Genauso selbstverständlich hatte sie auch die Mutterpflichten an Sofjas Tochter übernommen, als diese Fufa zunächst nicht mit nach Schweden nehmen konnte. Doch obwohl kein Zweifel daran besteht, dass Julia Fufa wie ihr eigenes Kind liebte und dass es ihr unendlich schwer fiel, diese - was dann im Sommer 1886 geschah - zu Sofja nach Stockholm reisen zu lassen, stand es für sie außer Frage, dass sie selbst ihr nicht folgen würde. So bewahrte sich Julia ihre Eigenständigkeit und wahrscheinlich auch ihre Freundschaft zu Sofja, die unter der Abhängigkeit von Sofja, in die Julia ohne eigenes Betätigungsfeld in Schweden notwendigerweise geraten wäre, sicher gelitten hätte. Nach Sofja Kowalewskajas frühen und überraschenden Tod am 4. Februar 1891 in Stockholm, kehrte Fufa übrigens zu Julia Lermontowa zurück. Sie besuchte später die Höheren Frauenkurse in Moskau und wurde Ärztin.[52]

Julia starb am 16. Dezember 1919. Sie hinterließ einige wichtige Arbeiten auf dem Gebiet der angewandten Chemie - so entwickelte sie auf Anregung von Mendelejew eine Technik zur Trennung von Platinlegierungen und eine effizientere Methode zur Ölraffinierung. Doch wichtiger für uns heute ist das, was sie mit den anderen Frauen, die den russischen Nihilisten nahestanden, gemeinsam hatte: Ihr unerschütterliche Glaube an Wissenschaft und Fortschritt, das unbedingte Streben nach Wissen und Ausbildung für alle Menschen, das sie befähigte, sich ihr Recht auf ein Studium gegen alle Widerstände zu erkämpfen: Bildung ist ein Menschenrecht, würde wir die Überzeugung der Nihilisten heute wohl in Worte fassen. So kam es, dass alle Frauen, die jeweils als erste in ihrem Fach einen Doktorgrad erwarben, Russinnen waren: Sofja Kowalewskaja in Mathematik, Julia Lermontowa in Chemie, Anna Jewreinowa als Juristin und auch die erste Frau, die einen Doktor in Medizin erwarb, war ebenso eine Russin wie die erste promovierte Biologin: Nadeschda Prokofjewna Suslowa, promovierte im Dezember 1867 als erste dieser Frauen überhaupt in Zürich; Sofja Michailowna Perejaslawzewa promovierte 1876 ebenfalls in Zürich in Biologie und leitete später zehn Jahre lang das Biologische Institut in Sewastopol.[53]

Julia Lermontowa, die erste Frau, die in Preußen in einem regulären Verfahren promoviert wurde, hätte dabei in besonderer Weise zu einem Vorbild für viele nachfolgende Frauen werden können: Sie, die zwar eine tüchtige Wissenschaftlerin war, aber nicht eine unerreichbare Ausnahmeerscheinung wie Sofja Kowalewskaja, sie, die den wissenschaftlichen Anforderungen einfach nur "recht gut", wie es Hübner in seinem Gutachter zu ihrer Arbeit ausgedrückt hatte, entsprach, sie hätte wirklich der vom damaligen Dekan befürchtete Präzedenzfall werden können, an dem sich andere Frauen nicht nur orientieren, sondern auf den sie sich auch hätten berufen können. Genau dies aber wusste die Universität Göttingen zu verhindern, indem sie die Promotion von Julia Lermontowa so gut in ihren Akten verschwinden ließ, dass diese erst wieder entdeckt wurde, als das Frauenstudium schon über 80 Jahre alt war.



[1]Hofmann an Wöhler, 9.7.1874, zitiert nach Tollmien, zwei erste Promotionen, 1997, S. 119 (Dok. 2.1)

[2]Sie fehlt sowohl in der bekannten Auflistung von Elisabeth Boedecker, die im Jahre 1939 alle Dissertationen, die Frauen bis 1908 an deutschen Universitäten vorgelegt hatten, zusammenstellte, als auch noch 1977 in einem Aufsatz von Martha Küssner über "Die ersten 27 Frauen, denen von der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen der Doktorgrad verliehen wurde". Zwar erschien 1967 immerhin eine Biographie von Julia Lermontowa in Moskau und auch in den Anfang der 80er Jahre publizierten Arbeiten der amerikanischen Wissenschaftlerin Ann Hibner-Koblitz über Sofja Kowalewskaja wird Julia Lermontowa der ihr gebührende Platz neben ihrer Freundin zugewiesen. Doch erst 1992 wurde die Promotion Julia Lermontowas in einer deutschsprachigen Publikation über August Wilhelm Hofmann - er war ihr wissenschaftlicher Mentor - wenigstens erwähnt und ihre Promotionsakte in Göttingen wurde erstmals von mir für meine 1997 erschienene Publikation über die "gemeinsame" Promotion von Sofja Kowalewskaja und Julia Lermontowa in Göttingen systematisch durchgesehen. Boedecker, 25 Jahre Frauenstudium, 1939 (Vgl. zu den Mängeln bei Boedecker auch Tobies, Anfänge einer wissenschaftlichen Karriere, 1995, insb. S. 111); Küssner, 27 Frauen, 1977; Musabekov, Iu. S., Iulia Vsevolodovna Lermontowa, Moskau 1967 (Angabe nach Hibner-Koblitz, A Convergence of Lives, 1983, S. 67 Anm. 33); Hibner-Koblitz, A Convergence of Lives, 1983, passim.; Dies., Science, Women, ..., 1988, S. 217; Meinel, Hofmann, 1992, S. 56 f.; Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf den Artikel, den Winfried Pötsch in der Mitteldeutschen Zeitung, Ausgabe Bitterfeld, unter dem Titel "Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften war Sensation" am 21.10.1994 (S. 10) über Julia Lermontowa veröffentlichte. Aufgrund des abseitigen Publikationsortes fand diese kurze, aber sehr informative Biographie von Julia Lermontowa naturgemäß wenig Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Welt.

[3]Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 373. Vgl. auch Pötsch, Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften, 1994; Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 86.

[4]Vgl. zu Sofja Kowalewskajas Kindheit Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 12-42.

[5]Die Bezeichnung ging auf den Roman von Iwan Turgenjew „Väter und Söhne“ (erstmals 1862 erschienen) zurück und sollte andeuten, dass dieser Jugend nichts heilig sei, was der Generation ihrer Väter etwas bedeute. Die Anhänger der Bewegung, die sich selbst „Realisten“ oder „Kinder der Sechziger“ nannten, übernahmen diese abwertend gemeinte Bezeichnung als einen Art Ehrentitel: Ja sie seien Nihilisten, weil nichts in der Gesellschaft der Väter wert sei, bewahrt zu werden und Russland völlig neu aufgebaut werden müsse. Vgl. Hibner Koblitz, Science, Women, 1988, S. 208 f. und dies., A Convergence of Lives, 1983, S. 39.

[6]Vgl. dazu Hibner Koblitz, Science, Women, 1988, S. 208-213, dies., A Convergence of Lives, 1983, S. 61-65.

[7]Zu Wladimir Kowalewski (1842-1883) siehe Hibner Koblitz, A Convergence of Lives, 1983, S. 69-79, Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 47 ff., und Borissiak, W. Kowalewski, 1930.

[8]Zur Suche nach einem Heiratskandidaten siehe Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 45 ff., und Hibner Koblitz, A Convergence of Lives, 1983, S. 67 f.

[9]Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 373.

[10]Sofja Kowalewskaja an Julia Lermontowa 19.1.1869 (alter russischer Kalender), in: Kowalewskaja, Wospominanija i Pisma, 1961, S. 231 f.

[11]Tollmien, Zwei Erste Promotionen, 1997, S. 87; Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 374 f.

[12]Zu Anna Michailowna Jewreinowa (1844-1919) siehe Briefwechsel, 1993, S. 101 (Anm. 6), Hibner Koblitz, A Convergence of Lives, 1983, S. 4 (Anm. 4), S. 57, S. 66f. und S. 85 ff; vgl. auch Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 375; Sofja Kowalewskaja an Wladimir Kowalewski, Heidelberg Mitte Dezember 1869, in: Kowalewskaja, Wospominanija i Pisma, 1961, S. 236 f.

[13]Zu den Details vgl. Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 87 ff.

[14]Sofja Kowalewskaja an Julia Lermontowa 16/20. April 1869, in: Kowalewskaja, Wospominanija i Pisma, 1961, S. 234 f.

[15]Lermontowa, Julia, Wospominanija o Sophje Kowalewskoi, in: Kowalewskaja, Sofja W., Wospominanija i Pisma, Moskau 1961, S. 374. Alle Professoren, bei denen Julia Lermontowa hörte, sind namentlich genannt in ihrem für die Promotion verfassten Lebenslauf; siehe Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 119 (Dok. 2.2 im Anhang); vgl. dazu auch Pötsch, Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften, 1994; Briefwechsel, 1993, S. 28 (Anm. 14).

[16]Für Details siehe Hibner Koblitz, A Convergence of Lives, 1983, S. 103- 111; Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 65-75.

[17]Das war im Dezember 1871, vgl. Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 77.

[18]Siehe dazu Boedeker, 15 Jahre Frauenstudium, 1939, S. XXXVII-XLII.

[19]Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 90 ff.

[20]Liebig an Hofmann, 14.11.1863, zitiert nach: Bugge, Buch der großen Chemiker, Bd. II, 1930, S. 144. Justus Liebig (1803-1873) lehrte zu dieser Zeit in München und beklagte besonders die Prüfungsbelastung der deutschen Professoren, die in München schon schlimm, in Berlin aber „vernichtend“ sei.

[21]Hofmann an Wöhler, 9.7.1874, Tollmien, Zwei erste Promotionen, S. 119 (Dok. 2.1 im Anhang). August Wilhelm Hofmann (1818-1892) wurde 1890 geadelt. Zur Biographie siehe Bugge, Buch der großen Chemiker, Bd. II, 1930, S. 136-153. Genaueres über Sofjas und Julias Zeit in Berlin findet man bei Tollmien, Zwei erste Promotionen, S. 93 f.

[22]Detaillierte Darstellung des Promotionsverfahrens von Sofja Kowalewskaja bei Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 94-102.

[23]Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 119 f., S. 121, S. 122f (Dok. 2.2, 2.4 und 2.6 im Anhang.)

[24]Hofman an Wöhler, 9.7.1874, in: Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 118 f. (Dok. 2.1)

[25]Julie Lermontoff: Ueber die Zusammensetzung des Diphenins, in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 5 (1872), S. 231- 236. Zu Charles Gerhardt (1816-1856) und Auguste Laurent (1807-1853) siehe Bugge, Buch der großen Chemiker, Bd. II, 1930, S. 92-114.

[26]Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 119 f., S. 122 (Dok. 2.2 und 2.4 im Anhang); Anschreiben des Dekans an Hübner vom 2.8.1874, ebd., S. 121 f. (Dok. 2.5). Die Arbeit wurde vielleicht auch deshalb nicht mit in die Beurteilung einbezogen, weil sie bereits gedruckt war, eine Dissertation aber nach den Statuten unveröffentlicht sein musste. Daher konnte Julia Lermontowa nicht wie Sofja Kowalewskaja geltend machen, mehrere Arbeiten zur Promotion eingereicht zu haben, obwohl sie dies den Formulierungen in ihrem Lebenslauf und ihrem Promotionsantrag nach zu schließen, wohl gehofft hatte.

[27]Hans Hübner (1837-1884) war 1870 zum a. o. Professor ernannt worden und wurde am 21.10.1874 neben Wöhler Mitdirektor des chemischen Laboratoriums. Vgl. den Nachruf auf Hübner in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft 17 (1884), S. 763-776, hier S. 764f.; siehe auch den Brief Wöhlers an Hübner, 18.9.1873, in: Museum der Göttinger Chemie, Museumsbrief Nr. 14 (Juli 1995), S. 5f.

[28]Gutachten Hübner, in: Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 1212 f. (Dok. 2.5. im Anhang). Julia Lermontowa ließ ihre Arbeit durch die Universitätsbuchdruckerei in Göttingen drucken (Lermontowa, Zur Kenntniß der Methylenverbindungen, 1874). Andernorts ist die Arbeit als ganzes offenbar nicht veröffentlicht worden. Doch wurden ihre experimentellen Ergebnisse wieder in die Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft aufgenommen, und zwar in einem noch vorläufigen Stadium, offenbar vor Drucklegung der Doktorarbeit: Ueber das Verhalten des Methylenjodids gegen einige Amine (aus dem Berl. Univ. Laborat. 216), in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 7 (1874), S. 1252- 1284. Veröffentlicht wurden beide Fassungen wahrscheinlich etwa gleichzeitig.

[29]Bei einer ersten Durchsicht der Promotionsakten der Phil. Fak. Göttingen (Universitätsarchiv Göttingen) aus dem gleichen Jahr ließ sich feststellen, dass Hübners Gutachten selten länger waren als das von ihm für Julia Lermontowa verfasste und dass sie auch, wenn er eine bessere Note vorschlug, kaum „enthusiastischer“ waren.

[30]Weierstraß an Kowalewskaja 4.8.1874, in Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 123 f. (Dok. 2.7 im Anhang).

[31]Rudolf Hermann Lotze (1817-1881) lehrte von 1844 bis 1880 Philosophie in Göttingen. Sein Dekanat hatte er am 1. 7. 1874 gerade erst angetreten.

[32]Stellungnahme Lotzes vom 9.8.1874, in Tollmien zwei erste Promotionen, 1997, S. 122 (Dok. .6 im Anhang).

[33]Diskussion über den Erlass der mündlichen Prüfung 9.8.1874, in: Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 122 f. (Dok. 2.6 im Anhang)

[34]Weierstraß an Kowalewskaja 11.8.1874 (2 Briefe) und 14.8.1874, Kowalewskaja an Unbekannt, in: Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 123 f. (Dok. 2.7 und Dok. 2.8 im Anhang).

[35]Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 106.

[36]Johann Benedikt Listing (1808-1882) lehrte seit 1839 zunächst als a.o. Prof., seit 1849 als Ordinarius Physik in Göttingen.

[37]Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 376 f. In den Promotionsakten ist explizit nur von zwei Prüfern (Hübner und Listing) die Rede und auch nur von einer Prüfung in zwei Fächern, doch nahm offenbar der gesamte Fakultätsausschuss an der Prüfung teil und so beteiligten sich auch andere Professoren an der Prüfung. Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 115, S. 126 (Dok. 1.5., Dok. 2.9 im Anhang).

[38]Reinhold Pauli (1823-1882) lehrte von 1870 bis 1882 Geschichte in Göttingen.

[39]Weierstraß an Kowalewskaja, 21.4.1875, zitiert nach: Briefwechsel, 1993, S. 200 f.

[40]von Leitner, Clara Immerwahr, 1993; Mühlhausen, Grace Emily Chisholm Young, 1995.

[41]Sofja Kowalewskaja an Elisaweta Andrejewna Lermontowa (Julias Mutter) Oktober 1874, in: Wospominanija i Pisma, 1861, S. 237 f.; zu Dimitrij Iwanowitsch Mendelejew (1834-1907) siehe z.B. Strube u.a., Geschichte der Chemie, 1986, S. 98 f.

[42]Alexander Michailowitsch Butlerow (1828-1886) wurde durch die seine Arbeiten zur chemischen Strukturlehre (soll heißen über die mit chemischen Mitteln zu ermittelnde Art und Weise der gegenseitigen Bindung der Atome in den verschiedenen Verbindungen) bekannt und brachte diese von ihm neu belebte Lehre durch die Aufstellung einer Reihe von Strukturformeln, so z.B. für die Essigsäure, wesentlich voran. Siehe dazu Strube u.a., Geschichte der Chemie, 1986, S. 94 ff.

[43] Wladimir Wassiljewitsch Markownikow (1838-1904) gehörte wie Mendelejew und Butlerow zu den bedeutendsten russischen Chemikern des 19. Jahrhunderts.

[44]Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 9 (1876), S. 1603. Siehe auch Sitzung der Russ. Chem. Gesellschaft am 28.9.1876, ebd., S. 1441.

[45]Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 377 f. Lermontowa schreibt dort, dass sie erst 1878 nach Petersburg ging, dies widerspricht dem Bericht von Butlerow auf der Sitzung der Russ. Chem. Gesellschaft am 17.1.1878, der angibt, dass Julia Lermontowa seit etwa einem Jahr in seinem Petersburger Labor arbeite. Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 11 (1878), S. 413 f. Vgl. auch die Berichte von der Sitzung am 22.3.1877 und am 16.5.1878, in: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 10 (1877), S. 708; 11 (1878), S. 1255 f.

[46]Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 378.

[47]Ebd.; Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 11 (1878), S. 413 f., S. 1255 f.

[48]Lermontowa, Wospominanija, 1961, S. 379.; Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 96, S. 98; Pötsch, Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften, 1994.

[49]Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, S. 89-99.

[50]Hibner-Koblitz, Women, Science, 1988, S. 66 (Anm. 26); Pötsch, Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften, 1994.

[51]Gösta Mittag-Leffler (1846-1927) hatte bei Weierstraß in Berlin gehört und war einer seiner größten Verehrer und Bewunderer. Seine Bedeutung lag weniger in seinen mathematischen Arbeiten, als vielmehr in seinen wissenschaftsorganisatorischen Fähigkeiten. Diesen verdankte auch Sofja Kowalewskaja ihre Stelle in Stockholm. Zum Berufungsverfahren siehe Tollmien, Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 102-106, S. 118-121.

[52]Kowalewskaja an Lermontowa, Dezember 1885, in: Wospominanija i Pisma, 1961, S. 287 f.; Tollmien, Zwei erste Promotionen, 1997, S. 93, S. 108 f.; Dies., Fürstin der Wissenschaft, 1995, S. 121, S. 133, S. 174; Pötsch, Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften, 1994; Hibner-Koblitz, Science, Women,1988, S. 223.

[53]Hibner-Koblitz, Science, Women,1988, S. 213-217, S. 219, S. 223; Ebenso neu als kühn, 1988, S. 119-124; S. 202.

 


Literatur- und Quellenverzeichnis:

Boedecker, Elisabeth, 25 Jahre Frauenstudium in Deutschland, Heft 1. Buch-, Bibliotheks- und Zeitungswesen [...] mit einer Anlage zur Geschichte des Frauenstudiums, Hannover 1939

Borissiak, A., W. Kowalewsky, sein Leben und sein Werk, in: Palaebiologica (hg. von Othenio Abel), Bd. III, Wien Leipzig 1930, S. 131-256.

Briefwechsel, Karl Weierstraß - Sofja Kowalewskaja (herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Reinhard Bölling), Berlin 1993.

Bugge, Günther (hg.), Das Buch der großen Chemiker, Bd. II, Berlin 1930.

Ebenso neu als kühn, 120 Jahre Frauenstudium an der Universität Zürich (hg. vom Verein Feministische Wissenschaft Schweiz), Zürich 1988.

Hibner-Koblitz, Ann, A Convergence of Lives. Sofia Kovalevkaia: Scientist, Writer, Revolutionary, Boston Basel Stuttgart 1983.

Dies., Science, Women, and the Russian Intelligentsia. The Generation of the 1860s, in ISIS 79 (1988), S. 208-226.

Kowalewskaja, Sofja W., Wospominanija i Pisma, Moskau 1961 (daraus einzelne Briefe, vor allem an und von Julia Lermontowa, Übersetzung ins Deutsche Simon Panitch und Cordula Tollmien).

Küssner, Martha, Die ersten 27 Frauen, denen von der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen der Doktorgrad verliehen wurde, lose Beilage zu: Dies, Dorothea Schlözer. Ein Göttinger Gedenkbuch, Göttingen 1977.

Leitner, Gerit von, Der Fall Clara Immerwahr, München 1993.

Lermontowa, Julia, Zur Kenntniß der Methylenverbindungen, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Philosophischen Doctorwürde an der Universität Göttingen, Göttingen 1874.

Dies., Wospominanija o Sophje Kowalewskoi, in: Kowalewskaja, Sofja W., Wospominanija i Pisma, Moskau 1961, S. 373-385 (Übersetzung ins Deutsche Simon Panitch und Cordula Tollmien).

Meinel, Christoph, August Wilhelm Hofmann - "Regierender Oberchemiker", in: Die Allianz von Wissenschaft und Industrie. August Wilhelm Hofmann (1818-1892). Zeit, Werk, Wirkung (hg. von Christoph Meinel und Hartmut Scholz), Weinheim u.a. 1992, S. 27-64

Mühlhausen, Elisabeth, Grace Emily Chisholm Young (1868-1944): in: Des Kennenlernens werth. Bedeutende Frauen Göttingens (hg. von Traudel Weber-Reich), Göttingen 1993, S. 195-211.

Pötsch, Winfried R., Eine Frau im Studium der Naturwissenschaften war Sensation. Julie Lermontoff studierte als erste Frau Chemie und promovierte auf diesem Gebiet, in: Mitteldeutsche Zeitung, Ausgabe Bitterfeld, 21.1.1994, S. 10, mit kleinen Änderungen wieder abgedruckt in: Museum der Göttinger Chemie, Museumsbrief Nr. 16 (1997), S. 11 f.

Strube, Irene, Stolz, Rüdiger, Remane, Horst, Geschichte der Chemie, Berlin 1986.

Tobies, Renate, Zu den Anfängen einer wissenschaftlichen Karriere von Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften, Literaturbericht und erste Ergebnisse, in : Nagelschmidt, Ilse (Hg.), Frauenforscherinnen stellen sich vor. Ringvorlesung Teil I - Sommersemester 1994, Leipzig 1995, S. 99-139

Tollmien, Cordula, Fürstin der Wissenschaft. Die Lebensgeschichte der Sofja Kowalewskaja, Weinheim 1995.

Dies., Zwei erste Promotionen - Die Mathematikerin Sofja Kowalewskaja und die Chemikerin Julia Lermontowa, in: Tobies, Renate (Hg.), "Aller Männerkultur zum Trotz" - Frauen in Mathematik und Naturwissenschaften, Frankfurt New York 1997, S. 83-129.

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