Das Vermächtnis des Max Raphael Hahn

Eine Geschichte über Leben und Tod, mutige Beharrlichkeit
und die fortwirkende Kraft der Familientradition

von Lisette Ferera und Cordula Tollmien
unter Mitarbeit von Michael Hayden und Sharon Meen
erschienen im Göttinger Hogrefe Verlag im November 2014

176 Seiten mit über 200 Abbildungen, Großformat, gebunden
ISBN 978-3-8017-2679-9

in allen Buchhandlungen und bei Amazon für nur 19,95 Euro

Cordula Tollmien: Aus Vorwort zur deutschen Ausgabe, S. 13 f.

An dieser Stelle seien ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte dieses ursprünglich nur für die und von den Nachfahren der Familie Hahn für die eigene Familie zusammengestellten Buchs eingefügt. Für mich begann diese Geschichte mit einer Mail, die ich am 2. Mai 2011 aus Canada erhielt: „Mein Name“, hieß es in der Mail, „ist Michael Hayden und ich bin der Enkel von Max Raphael Hahn.“ Obwohl ich wusste, dass den Kindern von Max Raphael Hahn, Rudolf und Hanni, gerade noch rechtzeitig die Emigration nach England gelungen war, hat mich diese Mail damals doch über alle Maßen berührt und das tut sie noch heute. Niemals hätte ich trotz meiner Forschungen zum Wirken des Nationalsozialismus in Göttingen und obwohl ich dabei immer wieder auf die Familie Hahn gestoßen war, damit gerechnet, dass sich einmal jemand bei mir melden würden mit den schlichten Worten „Ich bin der Enkel von Max Raphael Hahn.“

In seiner Mail kündigte Michael Hayden, der Sohn von Rudolf Hahn, der sich in der Emigration in Roger Hayden umbenannt hatte, zweierlei an: nämlich erstens, dass er Material für eine Geschichte der Familie Hahn sammele und dabei hoffe von meinen Forschungen profitieren zu können, und zweitens, dass er gemeinsam mit seinen Töchtern und seiner Cousine Diana Kanter, die die Tochter von Hanni Hahn ist, im Juni 2011 Göttingen besuchen werde. Es wurde ein sehr intensiver, alle Beteiligten sehr bewegender Besuch, der uns zu allen Stätten der Familiengeschichte führte, die ich in der Kürze der Zeit hatte ausfindig machen können: angefangen von dem nach dessen ersten Besitzer benannten Holbornschen Haus in der Roten Straße, das die Familie Hahn in der Mitte des 19. Jahrhunderts bezog, über das 1864 erworbene Stammhaus der Firma in der Weender Straße 70 (früher 63) und dem Wohnhaus der Hahns in der Merkelstraße 3, in dem Rudolf und Hanni aufgewachsen waren, bis zum Mahnmal für die Synagoge an der Oberen Masch und dem gegenüberliegenden Gerichtsgefängnis, in dem Max Raphael Hahn nach seiner Verhaftung in der Reichspogromnacht vom 10. November 1938 bis zum Juli 1939 einsitzen musste.

Unter dem Betreff „The Story Continues“ erhielt ich dann im August 2011 die Nachricht von Michael Hayden, dass er die Historikerin Sharon Meen mit der Aufarbeitung seiner Familiengeschichte beauftragt habe, was zunächst vor allem die Sichtung der Dokumente bedeutete, die seine Großeltern noch Anfang der 1940er Jahre aus Deutschland hatten herausschaffen können. Mit Sharon Meen, die Deutschland ein- oder zweimal im Jahr besucht und dabei auch immer in Göttingen Station macht, bin ich seitdem in regelmäßigem Kontakt und sie war es auch, die mir im Juni 2013 das inzwischen entstandene Familienbuch zeigte, in dem mich zunächst vor allem die zahlreichen Abbildungen der jüdischen Sakralobjekte faszinierten. Viele dieser Gegenstände sind durch das Wüten der Nationalsozialisten heute unwiederbringlich verloren, doch in diesem Buch leben sie wenigstens als Foto weiter und repräsentieren so einen wichtigen Teil des kulturellen jüdischen Erbes, das einmal auch ein deutsches Erbe war. Geschrieben wurde dieses Familienbuch unter Mithilfe von Sharon Meen und Michael Hayden von Lisette Ferera, einer Mitarbeiterin des Musée de la civilisation in Quebec. Lisette Ferera, eine Verwandte von Michael Haydens Frau und selbst Tochter von Holocaustüberlebenden, arbeitete sich mit Hilfe von Sharon Meen durch geschätzt 4000 Seiten von Dokumenten, die sich im Hahn-Hayden-Familenarchiv befinden und konzentrierte sich in dem für die Familie zusammengestellten Buch dann auf die Judaica-Sammlung von Max Raphael Hahn und auf Max Raphael Hahns Anstrengungen, diese vor den Nationalsozialisten zu retten. Das Buch diente also ebenso wie ursprünglich die von Raphael Hahn und seinem Sohn Max Raphael Hahn zusammengetragene Sammlung in erster Linie der Vergewisserung der eigenen Identität als jüdische Familie, womit sich – wenn auch vor dem Hintergrund eines am Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht vorstellbarem Grauens – in gewisser Weise ein Kreis schloss.

Nachdem sowohl der Leiter des Göttinger Stadtarchivs und des Städtischen Museums Ernst Böhme als auch Michael Hayden für die Idee, dieses Buch auch der Göttinger Öffentlichkeit zu präsentieren, gewonnen worden waren, galt es einen Verleger zu finden. Da in dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Hahn in der Merkelstraße 3 inzwischen der Hogrefe Verlag residiert, war es zwar naheliegend, aber dennoch keineswegs selbstverständlich, das Buch über die Familie Hahn-Hayden in diesem Verlag zu veröffentlichen. Denn der Hogrefe Verlag ist ein Psychologieverlag und Bücher historischen Inhalts gehören daher nicht zum Verlagsprogramm. Dennoch war Verlagsleiter und -eigner Jürgen Hogrefe sofort von diesem Projekt begeistert. In einer Mail vom November 2013 nannte er das Hahn-Buch ein „spannendes Zeitdokument“, das uns den Sammler Hahn nahebringe und uns „anhand des Beispiels der Familie Hahn die unfassliche Unmenschlichkeit und das fürchterliche Unrecht“ nochmals vor Augen führe, „das ihnen wie so vielen anderen Juden zugefügt wurde.“ „Besonders“, so Hogrefe weiter, „berührt natürlich der Zusammenhang mit unserem Göttingen. Dadurch verliert vieles an Abstraktheit. Das Werk kann daher sicher auch als ein ganz wichtiges Göttinger Zeitdokument gesehen werden.“ Jürgen Hogrefe bewies damit nicht nur sein Interesse für die Geschichte des Hauses in der Merkelstraße 3 und vor allem für das Schicksal seiner früheren Bewohner, sondern auch einen Sinn für den hohen symbolischen Wert, den es insbesondere für die Nachfahren der Familie Hahn besitzt, wenn dieses Buch nun in seinem Hause, also sozusagen in dem ehemaligen Hahnschen Haus selbst, veröffentlicht wird. Für dieses Engagement sind ihm die Familie Hahn-Hayden und die Autoren dieses Buches daher ebenso zu großem Dank verpflichtet wie für die sorgfältige Arbeit an diesem Buch, die in seinem Verlag geleistet wurde.

 

 

 

Die Villa in der Merkelstraße 3 wurde von 1919 bis zur ihrer Vertreibung aus der Stadt 1940 von der Familie Hahn bewohnt - hier ein Foto aus den Zwanziger Jahren. Seit 2011 ist sie der Sitz des Hogrefe Verlages.

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